2016
marsch der frauen
EntArteOpera 2016
Projekt Wien 2016
THEMENSCHWERPUNKT Verfemte und Vergessene Komponistinnen
Ausstellung
Marsch der Frauen
Ungehörige Komponistinnen zwischen Aufbruch, Bruch & Exil
alma mahler - werfel
Alma Mahler - Werfel
Die vielseitig begabte Alma Mahler-Werfel komponierte bereits als junges Mädchen. Von ihren
mehreren Dutzend Liedern sind jedoch nur 14 publiziert, der Großteil ihres Oeuvres gilt als
verschollen. Als Ehefrau wählte sie nach der Aufgabe ihres Schaffens nicht die eigene
kompositorische Professionalität, sondern fungierte bei ihren Partnern als Co-Produzentin.
So gelang es ihr bereits zu Lebzeiten, durch die jeweiligen Männer mitberühmt zu werden,
kaum aber durch ein eigenes Werk Anerkennung zu finden. Als Salondame schuf sie für viele
ihrer namhaften Gäste ein animierendes Milieu, das zu berühmten Kunstwerken inspirierte,
nützte ihre einflussreichen Netzwerke zur Kulturpolitik und agierte als Mäzenin. In der
Kreation ihrer eigenen Legende eroberte sich die Umstrittene viel weniger als Komponistin,
denn als Muse und Femme fatale ihren Platz in der Geschichte.
„Ziemlich viel componiert […] eine ganz eigenthümliche Kunstgattung, die ich mir da
zusammengearbeitet habe.“ Alma Schindler, 1900
„Ja, es ist ein Fluch, Mädel zu sein.“ Alma Schindler 1899
Alma Mahler-Werfel (1879–1964) Mäzenin, Muse, Mentorin
Wien–New York zwischen Selbstaufgabe und Selbststilisierung
Alma Schindler wurde am 31. August 1879 als Tochter des berühmten Landschaftsmalers Emil Jakob
Schindler und seiner Frau Anna Sofie Bergen, einer aufstrebenden Hamburger Sängerin und
Schauspielerin, in Wien geboren. Ihre Ausbildung war äußerst unsystematisch und
entwickelte sich hauptsächlich durch Privatunterricht. Mit neun Jahren soll sie zu
komponieren begonnen haben. Ab 1895, mit 16 Jahren also, erhielt sie Stunden bei dem
blinden Organisten und Komponisten Josef Labor, fünf Jahre später bei Alexander von
Zemlinsky. Die kompositorische Tätigkeit der Hochbegabten endete weitgehend als die
23-Jährige den Hofoperndirektor Gustav Mahler heiratete. Als er ihr das Komponieren
in einem Brautbrief verbot, fügte sie sich, Selbstzensur übend, dem Diktat. Almas
Leben an der Seite eines berühmten Komponisten war ganz auf sein Schaffen hin ausgerichtet.
Desillusioniert vom Alltag und oft alleine gelassen, konnte sie aus der Beziehung kaum
Befriedigung ziehen.
Co-Produzentin, Mäzenin und Muse
Ganz dem erotischen Aufbruch ihrer Mutter folgend, inszenierte Alma ihr Leben zunehmend über
erotische Abenteuer. Das Verhältnis mit dem später berühmt gewordenen Bauhausarchitekten
Walter Gropius wurde von Gustav entdeckt. Er erkannte plötzlich seinen eigenen Anteil am
Scheitern der Beziehung, suchte ihre Lieder und ließ 1910 fünf davon verlegen. 1911
wurde Almas Laue Sommernacht während des gemeinsamen Aufenthaltes in New York
aufgeführt und machte dort Furore. Hier komponierte sie auch wieder. Während Alma
musikalische Erfolge feierte, verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Gustav
noch in Amerika. Er starb im Mai 1911 mit nur 51 Jahren in Wien.
Die junge Witwe tröstete sich nun kaum mehr mit Musik, sondern stürzte sich in
Liebesabenteuer mit Walter Gropius, Oskar Kokoschka und Franz Werfel. Gleichzeitig
betätigte sie sich als Mentorin indem sie das persönliche Protektorat für Arnold
Schönberg übernahm und sich bei der Drucklegung von Alban Bergs Wozzeck-Partitur
beteiligte. Als marketingbewußte Witwe ließ sie 1924 die unvollendete X. Symphonie
Mahlers publizieren und gab das Buch Gustav Mahler Briefe 1879–1911 heraus.
In den 1920er Jahren fruchteten ihre Bemühungen, aus dem Lyriker Franz Werfel
einen erfolgreichen Romancier und finanzkräftigen Partner zu machen. 1929 heiratete
das Paar, obwohl sich die Beziehung vor allem durch die politischen Gegensätze und
ihren penetranten Antisemitismus schwierig gestaltete. In der Zeit des Austrofaschismus
empfing sie in ihrem Salon sowohl Vertreter des Regimes als auch seine Gegner und betrieb
mit Hilfe ihrer einflussreichen Netzwerke bei den Mitgliedern der Schuschnigg-Diktatur
Kulturpolitik.
Gekonnte Selbstinszenierung
1938 wurde das Leben in Wien endgültig von der brutalen politischen Realität zerstört.
Hatte das NS-Regime bereits 1933 Werfels Bücher verbrennen lassen, so war der Autor
durch den Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich wegen seiner jüdischen
Abstammung an seinem Leben gefährdet. Alma entschied sich, zusammen mit ihrem Mann,
zur Flucht vor den Nationalsozialisten. Über Frankreich, die Pyrenäen und Portugal
erreichten beide 1940 nach einer waghalsigen Reise schließlich Amerika. Franz Werfel
gelang 1941 mit seinem Werk Das Lied der Bernadette noch ein letzter Bestseller,
er starb jedoch bereits 1945 an einer Herzattacke. Dem Ehrgeiz folgend, vermarktete
die Witwe den literarischen und musikalischen Nachlass ihrer verstorbenen Ehemänner
und bemühte sich vor allem um die Kreation ihrer eigenen Legende. Die skandalumwitterte
Autobiographie Mein Leben wurde 1960 herausgegeben. Die Wiener Salonkultur tauschte sie
mit amerikanischen Dinner-Partys zu denen sie die Exilgemeinde lud. Seit langem suchte
sie vor allem im Champagner und dem von ihr geliebten Bénédictine-Kräuterlikör Trost.
Alma Mahler-Werfel starb 1964 im Alter von 85 Jahren im amerikanischen Exil. Die sterblichen
Überreste wurden in Wien feierlich bestattet. Vier Kinder, Fehlgeburten, Abtreibungen, drei
Ehemänner und zahlreiche Liebhaber hatten ihr keine Zeit gelassen, ihre musikalische Begabung
zu professionalisieren. Die Entscheidung gegen die Karriere einer Komponistin kompensierte sie
durch gekonnte Selbstinszenierung. Sie wagte den sexuellen Aufbruch, unterwarf sich jedoch der
Übermacht des verinnerlichten Rollenklischees, das der Frau eine reproduzierende Rolle zuwies.
Dies führte gleichzeitig zum Bruch mit der eigenen Komponistinnenlaufbahn.
Dr.in Lisa Fischer
Werkverzeichnis:
Fünf Lieder für Stimme und Klavier | veröffentlicht 1911
Die stille Stadt | Dehmel
In meines Vaters Garten | Hartleben
Laue Sommernacht | Bierbaum
Bei dir ist es traut | Rilke
Ich wandle unter Blumen | Heine
Vier Lieder für Stimme und Klavier | veröffentlicht 1915
Licht in der Nacht | Bierbaum
Waldseligkeit | Dehmel
Ansturm | Dehmel
Erntelied | Falke
Fünf Lieder für Stimme und Klavier | veröffentlicht 1924
Hymne | Novalis
Ekstase | Bierbaum
Der Erkennende | Werfel
Lobgesang | Dehmel
Hymne an die Nacht | Novalis
Zwei Lieder | veröffentlicht 2000
Leise weht ein erstes Blühn | Rilke
Kennst du meine Nächte? | Leo Greiner
*** es existiert noch ein unveröffentlichtes Lied, alle anderen Werke sind verschollen ***
*** Alma hat ihre Werke nicht datiert***