2016
marsch der frauen
EntArteOpera 2016
Projekt Wien 2016
THEMENSCHWERPUNKT Verfemte und Vergessene Komponistinnen
Ausstellung
Marsch der Frauen
Ungehörige Komponistinnen zwischen Aufbruch, Bruch & Exil
vitezslava kapralova
Vitezslava Kapralova
Mit fünf Jahren Klavierunterricht, mit neun Jahren die erste Komposition, mit achtzehn die erste weibliche
Absolventin des Brünner Konservatoriums in Komposition und Dirigat, mit dreiundzwanzig durch ihre
Militär-Sinfonietta als jüngste Dirigentin des BBC Orchestra zu internationalem Ruhm – derart rapid
stieg die Karriere von Vítezslava Kaprálová. Das tschechische Wunderkind entwickelte in Windeseile
ein außergewöhnliches Talent, dessen schöpferisches Ergebnis rund 50 Titel umfasst, darunter 25 mit
Opuszahlen. Es besteht aus Orchesterwerken, Kammer- und Vokalmusik. Die Pariser Liebesgeschichte zu
ihrem um Jahrzehnte älteren Lehrer Bohuslav Martinu hinterließ in beider Werk inspirative Spuren.
Als Vítezslava Kaprálová 1940 im Alter von nur fünfundzwanzig Jahren in Südfrankreich starb war ihre
musikalische Meisterschaft singulär ausgeprägt und formvollendet. Ihr tönendes Vermächtnis beeindruckt.
„Verborgen im Sternenkreis schläft der schwarze Hund.“ Vítezslava Kaprálová, 1940
„But then I got angry and wrote a passacaglia, in which I was making fun of this venerated form.“ Vítezslava Kaprálová 1935
Vítezslava Kaprálová (1915–1940) Die frühvollendete Meisterin
Brünn–Prag–Paris – Karrierestationen eines tschechischen Wunderkindes
Vítezslava Kaprálová wurde am 24. Jänner 1915 in dem zur Österreichisch-Ungarischen Monarchie gehörenden
Brünn geboren. Sie war das einzige Kind des Pianisten Václav Kaprál und der Sopranistin Viktorie Uhlirová,
die ihr bereits mit fünf Jahren Klavierunterricht erteilte.
Aufbruch als Komponistin Debut als Dirigentin
Ab dem Alter von neun Jahren komponierte Vítezslava regelmäßig und konnte sich über erste Publikationen
freuen. Gegen den Willen des Vaters und mit Hilfe der Mutter studierte sie seit 1925, im Alter von nur
15 Jahren, am renommierten Brünner Konservatorium. Als einzige der Gruppe schloss sie die Ausbildung ab.
Bereits 1933, mit gerade einmal 18 Jahren, wurde ihre Burleske für Klavier und Violine in der Brünner
Edition Pazdírek publiziert. Beim Schlusskonzert des Brünner Konservatoriums dirigierte sie 1935 als
erste Frau den Beginn ihres Klavierkonzerts in d-Moll. Sie war die erste Absolventin in diesem von
Männern dominierten Bereich. Im Anschluss studierte die musikalische Senkrechtstarterin am Prager
Konservatorium bei Vítezslav Novák Komposition und bei Václav Talich in der Meisterklasse für Dirigieren.
1937 beendete Kaprálová ihr Studium in Prag mit Auszeichnung. Im gleichen Jahr wurde ihre Vojenská symfonieta,
die Militär-Sinfonietta op. 11., im Rahmen des Galakonzertes des Nationalen Frauenrates uraufgeführt.
Erstmals schwang eine Frau den Taktstock vor dem renommierten Männerorchester der Tschechischen Philharmonie.
Die Frau im Frack beeindruckte nicht nur mit der Art, den Taktstock zu führen, sondern überzeugte
vor allem mit dem Werk für das sie 1938 den begehrten Smetana-Preis erhielt. Ebenfalls im Jahr 1937
lernte sie den tschechischen Komponisten Bohuslav Martinu kennen und beschloß, als
Stipendiatin der École Normale de Musique bei Charles Munch in Paris zu studieren.
Dotierte Preise und Klavierstunden besserten das spärliche Haushaltsbudget etwas auf. Nicht zuletzt
profitierte sie von der permanenten Mentorschaft ihres Lehrers Martinu.
Die Pariser Jahre zeigten
sich kompositorisch als intensive Schaffenszeit. Die unterschiedlichen Einflüsse halfen ihr, zwischen
ihren mährischen Ursprüngen, den Prager Prägungen und den französischen Einflüssen eine eigene singuläre
Tonsprache zu entwickeln. Der fast doppelt so alte Martinu wurde bald ihr gleichwertiger Kollege und
schließlich ihr Geliebter. Während dieser Amour fou gelang ihr am 17. Juni 1938 bei den Weltmusiktagen
der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik in London der internationale Durchbruch. Als aufsteigender
Stern vertrat Kaprálová mit ihrer Militär-Sinfonietta als einzige Frau ihres Landes die tschechische
Gegenwartsmusik. Ihr, der jüngsten Teilnehmerin, galt die Ehre, das Festival zu eröffnen. Sie brillierte
in einer Doppelfunktion – als Dirigentin und Komponistin.
Kaprálová lebte intensiv, komponierte und inszenierte sich ein turbulentes Liebesleben.
Bereits im März 1939 wurde die Tschechoslowakische Republik von deutschen Truppen annektiert,
was ihre Rückkehr in die Heimat unmöglich machte. Paris wurde zum erzwungenen Exil. Trotz emotionaler
Verzweiflung und Erschöpfung begann sie an ihrem Concertino op. 21 für Violine, Klarinette und Orchester
zu arbeiten. Wie so oft war die Bewältigungsform der psychischen Krisen eine musikalische Antwort.
Die Liebesbeziehung mit Martinu beendend, heiratete sie 1940 Jirí, den Sohn des Jugendstilmalers Alphons Mucha,
Doch Vítezslava Kaprálová blieb nur mehr wenig Zeit. Sie arbeitete oft an mehreren Kompositionen
gleichzeitig, viele davon blieben unvollendet. Ihre labile Gesundheit zwang sie in ärztliche Behandlung.
Von dem durch die deutsche Invasion bedrohten Paris evakuierte sie ihr Mann in das südfranzösische Montpellier.
Hier starb sie wahrscheinlich an Tuberkulose am 16. Juni 1940 als Paris in die Hände des NS-Regimes fiel.
1949 wurde die Urne nach Brno/Brünn überführt und in einem Ehrengrab bestattet. 1998 gründete Karla Hartl
in Kanada die Kapralova Society. Sie setzt es sich zum Ziel, Leben und Werk der wichtigsten tschechischen
Komponistin zu erforschen und zu promoten. Nach wie vor existiert vielfältiger Forschungs- und Aufführungsbedarf,
vor allem im deutschsprachigen Raum.
Dr.in Lisa Fischer
Werkverzeichnis:
Fünf Kompositionen für Klavier | 1932
Legenda | 1932 | Violine und Klavier
Burleska | 1932 | Violine und Klavier
Januar | 1933 Singstimme und Quintett
Sonata appassionata | 1933
Konzert für Klavier und Orchester | 1935
Suite en miniature | 1935 | Kammerorchester
Grotesque Passacalia I 1935 I Klavier
Streichquartett | 1936
Für immer I 1936-37 I Singstimme und Klavier
Militärsinfonietta | 1937 | Orchester
Ostinato fox | 1937 | Klavier
Winkend Abschied nehmen | 1937 | Singstimme und Klavier oder Orchester
Trio für Oboe, Klarinette und Fagott | 1938
Hymne der freiwilligen Krankenschwestern des tschechoslowakischen Roten Kreuzes | 1938
Suita rustica | 1938 | Orchester
Koleda milostna I 1938 I Singstimme und Klavier
Elegie | 1939 | Violine und Klavier
Für Karel Capek | 1939 | Melodram mit Violine und Klavier
Sonatina | 1939 | Violine und Klavier
Partita für Klavier und Streichorchester | 1939
Concertino für Violine, Klarinette und Orchester | 1939
Weihnachtspräludium | 1939 | Kammerorchester
Kurzgeschichte | 1940 | Piccolo, Querflöte und Klavier
Militärmarsch | 1940 | Kammerorchester
Scénická hudba | 1940 | Bühnenmusik
Zwei Ritornelle | 1940 | Violoncello und Klavier
Klaviermusik
Klavierlieder