2013
der schatzgräber
Der Schatzgräber, Oper von Franz Schreker
Premiere 12.9. 19:00, weitere Vorstellungen am 14.9. 21:30 und 17.9. 20:00
Tabakfabrik Linz, Brucknerfest Linz 2013, in Koproduktion mit LIVA
der schatzgräber
Der Schatzgräber, Oper von Franz Schreker
Oper in einem Vorspiel, vier Aufzügen und einem Nachspiel
Libretto: Franz Schreker
Uraufführung: Frankfurt 1920
Entstehung: 1915-1918
Autograph: Österreichische Nationalbibliothek
Verlag: Universal Edition
der schatzgräber
Franz Schreker, in Wien aufgewachsen, hat als eine der einflussreichsten Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit und als Direktor
der Berliner Musikhochschule eine Komponistengeneration geprägt. Dieses zentrale Opernwerk Schrekers, 1920 in Frankfurt
uraufgeführt, war eine der meistgespielten zeitgenössischen Opern der Weimarer Republik und Schrekers größter Bühnenerfolg zu Lebzeiten.
Durch den Nationalsozialismus als "entartet" gebrandmarkt, geriet
Der Schatzgräber nach dem zweiten Weltkrieg komplett in Vergessenheit und wurde erst wieder
Ende des zwanzigsten Jahrhunderts auf die Bühne gebracht.
In Linz wird die Oper Franz Schrekers in den Räumen der ehemaligen Tabakfabrik erarbeitet und in diesem räumlichen und
geschichtlichen Kontext zu entdecken sein.
Das Werk wird in Österreich das erste Mal seit dem 2. Weltkrieg wieder szenisch zu erleben sein.
der schatzgräber
Kunst und Leben
Elis, der Schatzgräber, findet Schätze, die er gar nicht sucht. Er ist ein Herumtreiber, ein Heimatloser, ein Begabter,
Künstler von Geburt wegen. Er folgt seiner Berufung und seinem Schicksal auf naive und passive Art, er tut, was er kann
und was er muss. Er ist ein sozialer Mensch, ein Helfer und Tröster... aber alles das erfüllt und befriedigt ihn nicht wirklich.
Den Schatz, den er begehrt, den kennt er nicht einmal... Leidenschaft, Sinnlichkeit, ein eigenes Leben. Ein begabter Künstler
hat nicht unbedingt ein interessantes eigenes Leben. Er muss nicht erlebt haben, wovon er berichtet. Er ist ein Medium, durch
das der Geist der Welt spricht.
Es ist leicht vorzustellen, dass so einer an seinen Widersprüchen leidet.
Els ist, scheint mir, das nackte, brutale Leben. Sie wurde geschlagen, getreten. Sie reagiert, ohne zu zögern. Die Männer,
die man ihr aufzwingt, bringt sie um. Besser weiß sie sich nicht zu helfen. Sie reagiert nicht nur, sie folgt ihrer Sehnsucht
auf radikale, direkte Weise. Sie weiß, was sie will: den Schatz der Königin, der Jugend und Schönheit verheißt. Dem jagt sie
hinterher, den raubt sie ohne Skrupel. Das ist vollkommen materialistisch, so wie das nackte Leben eben ist. Was sie eigentlich
sucht ist offensichtlich etwas ganz Anderes: Liebe, Ideale, höhere Schätze... aber ebenso offensichtlich weiß sie das nicht und
das reißt ihre Seele entzwei.
Im Verlauf der Geschichte bewegt sich die Kunst - Elis - auf das materielle, sinnliche, schmutzige Leben zu. Der Künstler
verliert und verirrt sich in Egoismus, in Gier und erotische Sucht. Das radikale und verbrecherische Leben der Els aber
bewegt sich, durch die Kunst angestoßen, zur Läuterung hin, zu Verzicht und Aufopferung.
Elis und Els, Kunst und Leben, sehnsüchtig voneinander angezogen, treffen sich im "Schatzgräber" in einem kurzen, punktuellen
Moment und verfehlen sich im Übrigen konsequent. Schreker formuliert die einander entgegengesetzten Positionen erbarmungslos
gegen beide und leidenschaftlich für beide Seiten eintretend.
Zuletzt bietet er eine Erlösungsidee an, er zeigt den unversöhnlichen Gegensatz eingegrenzt von Geburt und Tod. Jenseits davon
gibt es allerdings weder Kunstekstasen noch orgiastische Liebesnächte..
Philipp Harnoncourt
der schatzgräber
Der Schatzgräber steht genau in der Mitte von Schrekers Opernschaffen. Die Oper entstand nach dem Triumph der "Gezeichneten", unmittelbar
vor seinem Weggang aus Wien nach Berlin, und bescherte Schreker den größten Bühnenerfolg überhaupt, der sich für einige Jahre sogar
mit den Werken eines Richard Strauss messen konnte. Keine andere seiner Opern wurde zu Lebzeiten des Komponisten öfter gespielt, keine andere erreichte
dieses Maß an Volkstümlichkeit.
Das liegt vor allem an der für Schreker eher untypischen Verwendung von einprägsamen Motiven und weitgehend geschlossenen musikalischen Gedanken, die
schon bei der Uraufführung Publikum und Kritiker begeisterten. Beispielsweise hat das berührende Schlaflied zu Beginn des dritten Aktes als einzige
wirkliche 'Nummer' dieser durchkomponierten Oper geradezu das Potential zum Gassenhauer. Die vergleichsweise transparente Orchestersprache und die vollständig
tonale, aber immer noch chromatische Harmonik versöhnte selbst die konservativsten Geister, die von der klanglichen Üppigkeit der "Gezeichneten"
überfordert waren. Der übersichtliche Szenenbau mit den großen Balladen des Sängers bzw. dem langen Orchesterzwischenspiel als Herzstücke
der vier Akte und des Nachspiels taten ein Übriges für den außerordentlichen Erfolg der Oper.
Stilistisch ist der Schatzgräber das homogenste Werk Schrekers, und das trotz (oder gerade wegen) des permanenten Wechsels zwischen Parlando
und Arioso. Der Sinnesrausch der frühen Opern erscheint hier deutlich gezügelt, stattdessen ergänzen sich schlanke Vokalphrasierung und
opulente Harmonik zu einem nahezu klassisch ausgeglichenen Werk. Es bildet einerseits das unverkrampfte Resümee eines voll ausgebildeten Stils, zeigt
aber auch schon Ansätze für Schrekers zukünftige Entwicklung in Richtung Linearität. Das Libretto vereint ungezwungen Humor und Leidenschaft,
Groteske und Tragik, Heroismus und Gefühl. Handlungsaufbau, dramatische Details und dramaturgische Anlage greifen geschickt ineinander und ergänzen
sich geschickt auf unterschiedlichen Ebenen.
Der Schatzgräber vereint in glücklicher Weise sowohl die üppige Pracht von Schrekers frühen Opern als auch die Klarheit
seiner späten Werke und markiert somit den stilistischen Höhe- und Wendepunkt im Schaffen des Komponisten.
Volkmar Putz
der schatzgräber
"[...] fort von der kultmäßigen Auffassung des Musikdramas im Sinne Wagners, zurück zur Oper mit ihrem Rausch von Musik und Sinnenfreude, mit
all ihrer unlogischen Unwirklichkeit, der spielerischen Phantastik ihres Geschehens, der Freude am bunten Wechsel der Bilder, des Verlaufs auf rein
gefühlsmäßig musikalischem Boden. [...] Es mag übertrieben und gefährlich scheinen, dies auszusprechen, und doch muß es gesagt
werden: das Schaffen Franz Schrekers mit dem Schatzgräber als einstweilige Spitze bedeutet nicht nur die eigenkräftigste Kundgebung musikdramatischen
Ausdrucks- und Gestaltungsvermögens unsrer Zeit. Es ist zugleich der erste, starke, schöpferische Durchbruch durch den Bann der musikdramatischen
Gesetzgebung Wagners, frei von Epigonentum, bei unverkennbarer Anlehnung an geschichtlich Gewordenes, bei durchscheinender Bezugnahme auf Zeitgenössisches
selbständig, eigen gewachsen. Es sind Opernwerke unserer Zeit. Wir wollen nicht ängstlich das Risiko scheuen, uns heute schon vorbehaltlos zu ihnen zu
bekennen, zu sagen, daß sie über die unbestreitbare Gegenwartswirkung hinaus die stärkste Zukunftsverheißung in sich tragen, die uns bis jetzt
von der Bühne her erklungen ist."
aus Paul Bekker: Klang und Eros, 45