2015
komm mit nach terezín
EntArteOpera 2015
Projekt Wien 2015
THEMENSCHWERPUNKT Musik aus dem Ghetto-Lager Theresienstadt 1941-1945
Ausstellung
Komm mit nach Terezín - Musik in Theresienstadt 1941-45
Instrument des jüdischen Lebenswillens und der NS-Propaganda
komm mit nach terezín
Die ehemalige Garnisonsfestung der Habsburgermonarchie, Theresienstadt, wurde von den
Nationalsozialisten zwischen Herbst 1941 und Frühling 1945 in ein jüdisches Sammellager
verwandelt. Hierher deportierten sie die politische, künstlerische und wissenschaftliche
Prominenz der besetzten Länder, die die Nürnberger Gesetze als jüdisch definiert hatten.
Theresienstadt erhielt als "Ghetto-Lager" eine Sonderstellung. Durch das NS-Regime als "Jüdische
Mustersiedlung" getarnt, fungierte Terezín in Wirklichkeit als Transitstation in die
Massenvernichtungslager des Ostens.
Unter menschenunwürdigen Rahmenbedingungen lebte hier eine unglaubliche Dichte an hoch
qualifizierten Kunstschaffenden. Die SS verbot anfangs ein musikalisches Leben, duldete
es in der Folge, um es schließlich sogar zur Befriedung nach Innen und Propagandazwecken
nach Außen zu fördern. Die Organisation übergab sie der "Jüdischen Selbstverwaltung" und
ihrer eigens dafür geschaffenen "Freizeitgestaltung", der sie einen großenSpielraum gewährte.
Musik diente den Nationalsozialisten als inszeniertes Hörbild, um vom Massenmord an der
jüdischen Bevölkerung abzulenken. Durch die Gefangenen in Tonspuren gesetzt, fungierte
Musik gleichzeitig für sie als Antidepressivum, gemeinschaftsbildendes Widerstandssymbol
und emotionaler Hoffnungsraum. So ertönte sie im widersprüchlichen Wechselspiel vom
Missbrauch durch die Täter und dem kulturellen Selbstbehauptung der zumeist dem Tod
geweihten Opfer. In der künstlerischen Parallelwelt wurden nicht nur Opern, Kammermusik
oder verfemte Musik aufgeführt, sondern auch der als "entartet" diffamierte Jazz.
Zahlreiche Neukompositionen dokumentieren unter diesen unmenschlichen Bedingungen
den unbeugsamen Überlebenswillen und die kulturelle Kompetenz ihrer Schöpfer und
Schöpferinnen. Die dargebotenen Klangwelten unterlagen kaum einer Zensur. Sie
repräsentierten ein Repertoire, das im Dritten Reich weitestgehend verboten war
und erreichten großstädtisches Niveau.
Zwar benutzten die Nationalsozialisten die Kunstschaffenden als Instrumente ihrer
Propaganda, über die Klänge und ihre Wirkung hatten die Mörder jedoch keine Macht. So
entstand musikalisches Schaffen im Paradoxon von Herrschaftsinstrument und
Selbstrettungsmanöver der Inhaftierten. Wenn nichts mehr möglich erscheint, wird
alles machbar. Der geplante Schlussakkord wurde zum unplanbaren Auftakt eines
unsterblichen Vermächtnisses, zu einem musikalischen Plädoyer für den Erhalt der
menschlichen Würde. In ihm transformiert sich die Hingabe an die Kunst zu einer
Chronik der Erinnerung und einem gültiger Wegweiser für Gegenwart und Zukunft:
Musik als magisch-heilsamer Moment der menschlichen Existenz.
Dr.in Lisa Fischer
"Und deshalb meine ich, es kann die äußerste Annäherung an die Freiheit
nur in der ödesten Gefangenschaft und in der Todesnähe stattfinden,
also dort, wo die Entscheidungsmöglichkeiten auf fast Null reduziert sind.
In dem winzigen Spielraum, der dann noch bleibt, dort kurz vor Null, ist
die Freiheit... (da kann sie) als das Verblüffende eintreten"
Ruth Klüger